Wie genau sieht dieses Projekt aus?
Soner: Es geht darum, dass häufig eine unbewusste Diskriminierung stattfindet. Das ist durch die fehlende interkulturelle Kompetenz bedingt, die Lehrer ja in ihrer Ausbildung nicht erhalten. Mit unserem Projekt versuchen wir, diese interkulturelle Kompetenz zu vermitteln. Und zwar mithilfe von Studenten, die nach dem Berliner Lehrplan Ergänzungsunterricht geben. Es gibt mittlerweile 248 Schüler und 21 Kurse. Wir versuchen, die Defizite, die die Schüler in der Schule haben, auszugleichen. Die Schüler sind Gymnasiasten und unser Ziel ist es, dass sie ihr Abitur machen.
Ist denn die Zahl der Migrantenkinder, die erst aufs Gymnasium gehen und dann abbrechen, so hoch?
Soner: Ja, das ist ein Problem. Deswegen bekommen die Schüler bis zum Abitur Ergänzungsunterricht. Das Projekt ist ziemlich erfolgreich, jetzt schon seit 16 Jahren. Wir haben damit auch schon viele Preise gewonnen z.B. den des Bündnisses für Demokratie und Toleranz. Und die Berliner Tulpe haben wir von Oberbürgermeister Wowereit überreicht bekommen.
Fühlt ihr euch in erster Linie als Berliner?
Alle drei nicken.
Serdar: Die neuesten Studien sagen, dass sich zwei Drittel der Jugendlichen mit Migrationshintergrund erstmal mit der Stadt, aus der sie kommen, identifizieren. Danach geht es erst um die nationalstaatliche Identität.
Ferat: Ich würde das noch weiter runter auf die Bezirksebene beziehen. Also, in Reinickendorf fühle ich mich nicht mehr heimisch, eher in Kreuzberg und Neukölln.
Soner: Ich bin in Istanbul zur Schule gegangen und habe dort mein Abitur gemacht. Istanbul ist auf jeden Fall auch meine Stadt. In Deutschland identifiziere ich mich mit Berlin. Ich würde weniger sagen, ich bin Deutscher, aber mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, ich bin Berliner.
Ferat, du bist ja kurdischer Abstammung. Stellt das ein Problem für dich in der türkischen Gemeinde dar?
Ferat: Das ist kein Problem, solange wir uns für dieselben Sachen einsetzen. Unser Hauptziel ist es, die Situation der Migranten zu verbessern. Da macht es auch keinen Unterschied, ob man Türke ist, oder Kurde, Italiener oder Grieche. Die türkische Gemeinde macht migrationspolitisch die beste Arbeit. Die kurdische Gemeinde kommt jetzt erst so langsam hinterher.
Welches Hauptanliegen verbindet ihr mit eurem Engagement im BTS bzw. BTBTM?
Soner: Ich möchte meine Zukunft in Deutschland verbringen und setze mich dafür ein, dass ich mich hier heimisch fühlen kann. Ich möchte mich integrieren, ohne mich assimilieren zu müssen.
Serdar: Ich bin in diesen Verbänden aktiv, weil sie die Vielfalt und die demokratische Kultur als oberste Priorität haben. Vor allem wollen wir eine alternative Stimme in der Politik darstellen.
Ferat: Mein Ziel war es von Anfang an, die Klischees aus den Köpfen der Leute ohne Migrationshintergrund zu verbannen. Wenn man einige Reportagen sieht, dann werden oft nur die gewaltbereiten Immigranten gezeigt, die am 1. Mai Steine werfen. Mein Ziel ist es, zu zeigen: Wir sind nicht nur das Andere, sondern auch das Eine.